NEU: Bergschule Predigtstuhl Bad Reichenhall
13 Jan
Fußgängerzone, Kino, Schwimmbad, Konzert- und Theaterhaus, Kleinkunstbühne und so weiter. Die Alpenstadt Bad Reichenhall hat alle Vorzüge einer Stadt – und noch mehr. In wenigen Minuten und ein paar Schritten ist man draußen. Im Wald. Am See. Auf den Bergen. Daniel Hackenberg arbeitet bei der Bergschule Predigtstuhl und schätzt genau das: Kleinstadtleben und Bergfreuden. Eine seiner Lieblingstouren führt übers Lattengebirge.
Durch die Baumspitzen blitzt hier und da schon blauer Himmel. Sonnenstrahlen lassen helle Flecken auf dem weichen Waldboden tanzen. Der Wetterbericht hat Föhn gemeldet. Er soll noch am Vormittag die morgendliche Wolkendecke aufreißen und beste Bergsicht bringen. Daniel Hackenberg hat in der Früh die Vorhersage studiert. „Das wird schön“ verspricht er und geht in gleichmäßigem Tempo voraus.
Seit zwei Jahren arbeitet Daniel bei der Bergschule Predigtstuhl. Früher war er Polizist in München. Während der Ausbildung durfte er das erste Mal zum Canyoning. „Ich hatte damals Platz- und Höhenangst. Jetzt springe ich metertief in die Gumpen, das macht mir gar nichts mehr aus.“ Weil die Berge doch mehr Daniels Ding sind und er lieber dort unterwegs ist statt in den engen Häuser- und Straßenschluchten einer Großstadt, hat der 33-Jährige beruflich umgeschwenkt. Er hat sich zum staatlich geprüften Canyoningführer ausbilden lassen, hat den Fachübungsleiterschein für Klettersteige und den Übungsleiter für Lawinenverschüttetensuche absolviert.
Sagenhafte Felsformationen
Heute führt er uns von Hallthurm aus über den Karkopf (1.739m), den Hochschlegel (1.688m) bis zum Predigtstuhl (1.613m), einmal quer übers Lattengebirge. 9,5 Kilometer zählt die leichte bis mittelschwere Tour und 1.150 Höhenmeter. „Man sollte schon gute Kondition und Ausdauer mitbringen“, sagt Daniel. Anfangs geht es durch stetig ansteigenden Bergwald dahin, bis zu den Rotöfen beziehungsweise den Rotofentürmen. Es gibt den Vorderen, den Mittleren, und den Hinteren Rotofen. Vom Tal aus betrachtet sehen die Gipfel aus wie das Profil einer liegenden alten Frau, man nennt sie deswegen auch „Schlafende Hexe“.
Von hier aus folgt eine lange Querung, die mal etwas bergauf, mal bergab am Berghang verläuft. Gen Süden reihen sich die Stars der Berchtesgadener Alpen auf: Hoher Göll, Watzmann, Hochkalter mit dem Blaueisgletscher. Immer wieder bleibt Daniel stehen, zeigt auf den 1a-Blick und saugt alles selbst auf. „Ok, ich bin schon sehr heimatverbunden. Unsere Berge sind einfach der Hammer“, gibt er zu und erzählt: „Wusstet Ihr, dass die Watzmannostwand zu den anspruchsvollsten Felswänden der Alpen gehört und dort schon mehr Bergsteiger verunglückt sind als am Eiger?“ Nein, wussten wir nicht, aber es ist respekteinflößend. Obwohl der „König Watzmann“ aus unserer Perspektive gerade recht harmlos wirkt.
Unterhalb der „Steinernen Agnes“ ist Pause angesagt. Um diese bizarre Felsformation ranken sich zwei Sagen. Die eine erzählt, dass es sich um eine versteinerte, gottesfürchtige und keusche Sennerin handelt. Um sie vor den Nachstellungen des Teufels zu schützen, wurde sie in Stein verwandelt. Nach einer anderen Überlieferung war Agnes ganz das Gegenteil, nämlich eine Dirne, die ihr eigenes uneheliches Kind tötete und dafür versteinert wurde.
Von Bergen umgeben
Daniel zaubert aus seinem Rucksack Nüsse und Schoko-Bons hervor. Wir freuen uns wie die Kinder – und langen gerne zu. Daniel stammt gebürtig aus Ainring, einer Gemeinde nördlich von Bad Reichenhall. Sein Hausberg ist eigentlich der Hochstaufen, gegenüber des Predigtstuhls. Beide Berge rahmen die Kurstadt gen Norden und Süden ein. „Das Lattengebirge und den Predigtstuhl habe ich früher gar nicht so gekannt, aber es ist wunderschön hier oben und abwechslungsreich, im Sommer und im Winter“, erzählt er. Erst vor ein paar Monaten ist der 33-Jährige nach Bad Reichenhall gezogen, mitten in die Altstadt mit ihren kleinen, bunten Häuschen und den schmalen Gassen. Dort gefällt es ihm richtig gut und von seiner Haustür bis zur Predigtstuhlbahn – wo er sich meistens mit den Wandergruppen trifft – ist es nur ein Katzensprung. Zur Bergschule Predigtstuhl, die ihr Büro etwas außerhalb in Baumgarten am Saalachsee hat, nimmt er das Rad. „Auch wenn ich komischerweise immer Gegenwind habe, morgens beim Hin- und abends beim Zurückfahren, typische Seewinde“, lacht er.
Im Sommer herrscht in der Bergschule Hochbetrieb, vor allem Canyoning und Raften sind gefragt. Und wenn Daniel mal frei hat, was im Sommer eher selten vorkommt, sitzt er am liebsten mit Freunden im urigen Gasthof Gruttenstein, beim „Pfaffei“, und schaut von unten, vom Florianiplatz, nach oben auf seinen Predigtstuhl. Perspektivenwechsel sozusagen.
Die Brotzeit ist beendet. Nach dem Sitzen fühlen sich die Beine erstmal schwer an. Ungünstig, denn von der Steinernen Agnes geht es noch mal ein ganzes Stück hinauf bis auf den Karkopf. Er ist der höchste Gipfel im gesamten Lattengebirge und liegt genau an der Grenze zwischen den Gemeinden Bayerisch Gmain und Bischofswiesen. Daniel marschiert wieder in seinem gemütlichen Tempo vorneweg und erzählt von Indien, wo er gerne wieder hinmöchte. Diesmal in den Norden, den Süden kennt er schon. Vielleicht sogar auf einen 5.000er. „Wobei, kann es irgendwo schöner sein als hier?“ Schwer vorstellbar in diesem Moment. Vor lauter Zuhören haben wir gar nicht gemerkt, dass wir schon oben sind. So was nennt man dann wohl: perfekte Rundumsicht, 360 Grad-Panorama, gigantischer Ausblick. Auch wenn der Himmel nicht strahlend Föhn-Blau wie versprochen ist. Dafür scheint alles ganz nah, fast wie gemalt: das Steinerne Meer, der Dachstein, die Reiteralpe, der Wilde Kaiser, die Chiemgauer Berge und ganz im Süden der Alpenhauptkamm, die Hohen Tauern, gen Norden das Voralpenland mit dem Chiemsee.
Schwebend in die Stadt zurück
Wir können uns nur schwer von dem wunderbaren Gipfelplateau losreißen. Aber es wartet ja noch ein Gipfelkreuz auf uns: der Hochschlegel. In rund zwölf Minuten sind wir da. Bis Mitte der 1990er Jahre erschloss ein Sessellift den Berg, im Winter herrschte hier Skibetrieb. Die alten Stützen stehen immer noch. Der Hochschlegel ist quasi der Nachbar des Predigtstuhls. In die Mulde dazwischen schmiegt sich die Schlegelalm. Daniel grüßt Hüttenwirtin Gabi im Vorbeigehen. Unser Ziel ist das Predigtstuhlhotel beziehungsweise das Restaurant, gleich neben der Bergstation der Predigtstuhlbahn. Den Predigtstuhlgipfel und die zehn Minuten Gehzeit schenken wir uns, der Hunger nagt. Daniel geht schnurstracks durchs Foyer in die Restaurantküche. Sein Bruder Dennis ist dort Chefkoch. Auf der langen Panoramaterrasse im 1930er Jahre-Flair serviert er uns Schnitzel mit bayerischem Kartoffel-Gurkensalat.
Das Beste kommt zum Schluss: statt zu Fuß zurück ins Tal zu steigen, nehmen wir die Bahn.
Leise gleiten die zwei achteckigen, verglasten Gondeln dahin. Und das seit 87 Jahren. Die Predigtstuhlbahn ist die älteste, größtenteils im Original erhaltene, ganzjährig verkehrende Großkabinenseilbahn der Welt. „Grande Dame“ ist ihr Spitzname. Wo die Altstadt ist, fragt einer der Mitfahrenden. Daniel, ganz Guide, zeigt sofort auf die geduckten Dächer. „Da vorne, sie müssen nur ein paar Schritte an der Saalach langgehen, dann rechts über die Brücke und durch die Unterführung und schon sind sie da. In Reichenhall ist alle ganz nah.“
Infos:
Die Bergschule Predigtstuhl bietet das ganze Jahr über Programm, von Wander-, Berg- und Hochtouren über Klettersteige bis hin zu Kletterkursen im Sommer. Im Winter gibt’s geführte Schneeschuhwanderungen und Skitouren. Auf einer eigenen Anlage auf dem Predigtstuhl kann die Lawinenverschüttetensuche geübt werden. Außerdem beliebt: Canyoning, Floßbau oder Rafting. Das ganze Angebot gibt’s unter: www.bergschule-predigtstuhl.de, Tel: +49(0)8651 4009. Zeiten und Preise der Predigtstuhlbahn unter www.predigtstuhlbahn.de
Tourendaten Lattengebirgsüberschreitung: Länge 9,8 Kilometer, Dauer (mit Bergfahrt und Einkehr) circa 5-6 Stunden, Höhenmeter 1.150.
Weitere Informationen zur Alpenstadt Bad Reichenhall unter www.bad-reichenhall.de
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